Die Auswahl von qualifiziertem Personal gehört zu den zentralen Herausforderungen des öffentlichen Dienstes. In Zeiten von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und zunehmender Komplexität der Verwaltungsarbeit gewinnt die Eignungsdiagnostik an Bedeutung. Doch wie lässt sich diese praxisnah, rechtssicher und effizient gestalten – insbesondere im Spannungsfeld mit dem Beamtenrecht und bestehenden Beurteilungssystemen?
Warum Eignungsdiagnostik im öffentlichen Dienst wichtig ist
Im Gegensatz zur freien Wirtschaft sind die Möglichkeiten zur Personalauswahl im öffentlichen Dienst durch das Prinzip der Bestenauslese (§ 33 Abs. 2 GG) gesetzlich stark reglementiert. Das bedeutet: Entscheidungen müssen auf objektiven, nachvollziehbaren Kriterien basieren. Subjektive Eindrücke oder bloße Sympathie dürfen keine Rolle spielen.
Zusätzlich regelt das Beamtenrecht, dass bei Beförderungen und anderen Statusentscheidungen in erster Linie dienstliche Beurteilungen heranzuziehen sind. Das wirft die Frage auf:
Wann darf Eignungsdiagnostik überhaupt eingesetzt werden?
Die Antwort ist differenziert:
1. Ergänzend zu Beurteilungen – nicht ersetzend
Nach der aktuellen Rechtsprechung (u. a. BVerwG) darf Eignungsdiagnostik nicht an die Stelle der dienstlichen Beurteilung treten, wohl aber ergänzend eingesetzt werden – insbesondere bei gleicher Eignung (Punktgleichheit) oder wenn aktuelle Beurteilungen fehlen.
Beispiel: Zwei Beamt:innen haben identische Punktzahlen in der letzten dienstlichen Beurteilung. In diesem Fall kann ein strukturiertes Auswahlgespräch oder ein standardisierter Test zur Entscheidungsfindung herangezogen werden – sofern dies im Auswahlverfahren vorgesehen und rechtzeitig bekanntgegeben wurde.
2. Bei Neueinstellungen
Bei der Einstellung von Beamtenanwärter:innen oder beim Einstieg in den öffentlichen Dienst spielt die dienstliche Beurteilung noch keine Rolle – hier ist der Einsatz von eignungsdiagnostischen Instrumenten (z. B. Tests, Interviews, Assessment-Center) vollumfänglich zulässig und sinnvoll, solange sie transparent und diskriminierungsfrei sind und einen Anforderungsbezug aufweisen.
3. Bei Tarifbeschäftigten
Für Tarifbeschäftigte gelten andere Spielregeln. Hier ist der Einsatz eignungsdiagnostischer Verfahren ebenfalls möglich, solange das Verfahren dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht wird und auf objektiven Kriterien beruht.
4. Bei Auswahlverfahren mit Beamten und Tarifbeschäftigten
In einem gemeinsamen Auswahlverfahren von Beamten und Tarifbeschäftigten müssen alle Bewerbende nach einheitlichen, transparenten Kriterien beurteilt werden. Während bei Beamten die dienstliche Beurteilung ergänzend berücksichtigt werden sollte, steht bei Tarifbeschäftigten die Eignungsdiagnostik im Vordergrund, sofern bei ihnen nicht vergleichbare Beurteilungen bzw. Arbeitszeugnisse vorliegen. Durch den Einsatz von strukturierten Interviews, Tests oder Assessment-Centern lassen sich vergleichbare Leistungen erfassen. Wichtig ist eine faire Gewichtung und Dokumentation, um Gleichbehandlung und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Bausteine einer modernen Eignungsdiagnostik
Eine gut gestaltete Eignungsdiagnostik im öffentlichen Dienst basiert auf mehreren Komponenten:
1. Anforderungsanalyse
Am Anfang steht die Frage: Welche Kompetenzen müssen Bewerbende mitbringen, um die Stelle ausfüllen zu können? Dazu gehören z.B. spezifische Fachkenntnisse, soziale Kompetenzen, Problemlösungsfähigkeiten, aber auch Aspekte wie Stressresistenz oder digitale Affinität. Eine systematische Anforderungsanalyse hilft, die Auswahlverfahren gezielt auszurichten.
2. Strukturierte Interviews
Standardisierte Interviews mit klaren Bewertungsmaßstäben erhöhen die Objektivität von Auswahlverfahren. Verhaltensverankerte und einheitliche Bewertungsskalen sorgen für Transparenz und Vergleichbarkeit.
3. Leistungs- und Fähigkeitstests
Kognitive Fähigkeitstests, Konzentrationstests oder auch berufsspezifische Wissenstests bieten eine valide Grundlage für die Einschätzung der Eignung – besonders bei der Auswahl von Nachwuchskräften oder Quereinsteigern.
4. Assessment Center
Gerade bei der Auswahl für Führungspositionen oder gehobene Laufbahnen sind Assessment Center sinnvoll. Rollenspiele und Präsentationen geben Einblick in Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und Entscheidungsverhalten.
5. Digitalisierung nutzen
Digitale Tools und Plattformen können die Eignungsdiagnostik effizienter und nutzerfreundlicher machen – sowohl für die Bewerbenden als auch für die Auswahlkommissionen.
Rechtssicherheit und Gestaltungsspielräume
Die Kunst liegt darin, rechtssichere Verfahren zu entwickeln, die sich in die bestehende Beurteilungssystematik einfügen, ohne sie zu konterkarieren:
- Transparente Ausschreibung: Auswahlkriterien und eingesetzte Verfahren müssen von Anfang an bekannt gemacht werden.
- Dokumentation: Entscheidungen müssen nachvollziehbar begründet und dokumentiert sein – auch die Gewichtung von Beurteilung und Diagnostik.
- Beteiligung der Personalvertretung: Bei der Einführung neuer Verfahren ist die Mitbestimmung zu beachten (§ 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG).
Fazit
Eignungsdiagnostik im öffentlichen Dienst ist rechtlich zulässig – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Besonders bei Beförderungen ist sie ergänzendes Instrument, bei Einstellungen kann sie zentraler Bestandteil sein. Entscheidend ist ein sensibler Umgang mit dem Zusammenspiel von Beurteilung, Eignungsdiagnostik und rechtlichem Rahmen. So kann moderne und valide Personalauswahl auch im öffentlichen Dienst gelingen: gerecht, transparent und zukunftsorientiert.